Prozesserklärung 1. März 2022

Auch wenn in den letzten Monaten in einer Vielzahl von Prozessen und Prozesserklärungen, in Folge der Aktion am Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle im Februar 2020, das meiste und wichtigste zu unserer Aktion bereits gesagt wurde, möchte ich mich doch noch ein weiteres mal dazu äussern:

Die Besetzung des BAFA war eine antimilitaristische und gewaltfreie Aktion des zivilen Ungehorsams. Unser Aktionskonsens beinhaltete, dass wir friedlich, ruhig und besonnen das Foyer des BAFA besetzen und sich unser Anliegen nicht gegen die dort beschäftigten Menschen als Personen richtet.

Das politische Ziel war es, das BAFA als das zu entlarven was es ist:

Eine Schaltzentrale des internationalen Waffenhandels und der wirtschaftlichen Zusammen- arbeit mit jedwedem Unrechtsregime dieser Welt, solange es nur den geostrategischen Inter- essen der bundesdeutschen Konzerne und ihrer Regierung dienlich ist.

Dieses Ziel haben wir im Zusammenspiel mit vielen weiteren antimilitaristischen Initiativen und Aktionen weitgehend erreicht!

Das BAFA steht heute als Symbol für illegale Waffendeals mit Mexiko oder Kolumbien und klammheimliche Rüstungsgeschäfte mit der Türkei, mit Saudi Arabien, Israel und vielen weiteren Staaten und Regimes, die direkt oder indirekt in völkerrechtswidrige Kriege und militärische Konflikte involviert sind.

Die Aktion war auch deshalb ein Erfolg, weil sie den oben genannten Aktionskonsens nie verlassen hat und es trotzdem gelungen ist die Abläufe in der Behörde wenigstens für einen Vormittag empfindlich zu stören.

In Anbetracht des neuerlichen Einmarsches der Türkei nach Nordsyrien – in das Gebiet der kurdischen Selbstverwaltung – im Herbst 2019 und der Annexion weiterer Teile des syri- schen Staatsgebietes insbesondere der Städte Girê Spî und Serêkaniyê durch die Türkei, war die Besetzung des BAFA-Foyers nicht nur politisch richtig, sondern auch notwendig, um die deutschen Verstrickungen in die völkerrechtswidrige Aggression des türkischen Palast-Re- gimes öffentlich zu machen und zu skandalisieren.

Das Türkische Regime wird bei seiner feindlichen Haltung gegenüber der eigenen kurdi- schen Bevölkerung und seiner aggressiven Neo-Osmanischen Politik gegenüber den an- grenzenden Ländern und Völkern des Nahen Ostens von der BRD nicht nur mit der Liefe- rung von Waffen, Munition und Rüstungstechnologie unterstützt, sondern – aufgrund der NATO Mitgliedschaft der Türkei – auch mit militärischen Aufklärungsdaten aus den Kampfgebieten, die von den dort stationierten Aufklärungsstaffeln der Bundeswehr gewon- nen werden. Die Kriege der Türkei werden zudem finanziell mit Wirtschaftshilfen aus Deutschland und der EU, z.B. in Folge des EU-Flüchtlingsabkommens, querfinanziert und hierzulande unter anderem durch eine ausufernde Kriminalisierung der legitimen, demokra- tischen Proteste der kurdischen Community politisch flankiert.

Als Behörde des Bundeswirtschaftsministeriums hat das BAFA letztlich die Aufgabe ihren Teil der Drecksarbeit in der Umsetzung dieser verlogenen Politik zu erledigen.
Oder – um die Worte des damaligen Ressortleiters des Wirtschaftsministeriums im Prozess wegen illegaler Waffenlieferungen an Mexiko zu verwenden: „Es heißt ja Ministerium FÜR Wirtschaft» und hat dementsprechend ein Interesse daran, dass dieser renommierte Herstel- ler [gemeint ist hier Heckler und Koch] wirtschaftlich überleben kann“.

Wirtschaftlich überleben sollen natürlich viele deutsche Kapitalisten und so kommt es, dass nahezu 100% der Anträge auf Ausfuhr von Rüstungsgütern in alle Welt durch das BAFA ge- nehmigt werden.
Nicht umsonst ist Deutschland der viert größte Waffenexporteur weltweit.

Ein gutes und aktuelles Beispiel für die Verstrickungen des BAFA sind die türkischen Bay- raktar Kampfdrohnen, die durch die Türkei nur mit Hilfe von deutschem Know How und Technologietransfer zur Einsatzreife entwickelt werden konnten und die nachweislich mit Bauteilen aus deutscher Produktion hergestellt werden.

Diese Drohnen werden von der Türkei völkerrechtswidrig gegen die kurdische Zivilbevöl- kerung und deren Selbstverwaltung in Nordsyrien und im Shengal eingesetzt und sorgen dort jede Woche für Tote und Verletzte. Sie sind darüber hinaus aber auch ein schlagkräfti- ges Mittel bei der militärischen Verwirklichung hegemonialer Machtansprüche der Türkei in allen Krisengebieten der Region. Bayraktar Drohnen werden von der Türkei aktuell in Syri- en im Irak und in Libyen eingesetzt. Zudem spielten sie eine kriegsentscheidende Rolle im Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan.

All dies sind für das Bundeswirtschaftsministerium und das BAFA jedoch keine Gründe ei- nen Lieferstop für entsprechende Bauteile aus BRD-Produktion zu verhängen oder gar ein generelles Rüstungsembargo gegenüber der Türkei in Betracht zu ziehen.

Aktuell werden die türkischen Bayraktar Kampfdrohnen in hoher Stückzahl an die Ukraine geliefert und tragen dort ihren Teil zur Eskalation des Konfliktes bei.
Damit befindet sich die Türkei in guter Gesellschaft, denn die Aufrüstung der Ukraine ist in vollem Gange und auch hierzulande wird die Lieferung von High-Tech Waffensystemen mittlerweile durchgewunken.

Der Krieg in der Ukraine ist eine Tragödie und unsere Herzen sind bei den Menschen, die dort mit ihrem Leben, ihrer Gesundheit und ihrem Hab und Gut für die Folgen einer Politik der Konfrontation zahlen müssen, die – um es mit den Worten von Michel Foucault zu sa- gen – nichts weiter, als die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln ist.

Der Krieg in der Ukraine führt uns einmal mehr vor Augen, wohin die Militarisierung der Konfliktzonen dieser Erde führt und weiterhin führen wird.
Die Frage, die vermutlich alle hier im Raum umtreibt ist, ob es noch gelingen kann, diesen Krieg auf die Ukraine zu begrenzen.

In den Vorstandsetagen der Rüstungsindustrie herrscht jedenfalls Feierlaune. In Anbetracht des adhoc verabschiedeten Aufrüstungspakets von 100 Milliarden Euro, hat der Chef der Rüstungsschmiede Rheinmetall, Armin Papperger, Lieferfähigkeit verlauten lassen und sich 42 Milliarden vom Kuchen bereits gesichert. Am liebsten würde er gleich direkt an die Ukraine liefern.

Überlassen wir also unser Schicksal nicht weiter den Kriegstreibern, die sich für die Herren der Welt halten und denen es doch nur um die Sicherung ihrer Profite und ihrer neo-kolonia- len Einflusszonen und Imperien geht.

Diesen Entwicklungen sollten wir nach Kräften Einhalt gebieten. Antimilitaristischer Kampf bleibt deshalb weiterhin legitim und ist in Zeiten wie diesen notwendiger denn je!

Ich möchte gerne noch einige Worte zu dem Aufwand verlieren, mit dem diese Verfahren hier durch die Verfolgungsbehörden betrieben werden.

Es ist noch nicht lange her, da formulierte die Staatsanwaltschaft in einem vorangegangenen Prozess in ihrem Plädoyer: „Was Recht ist muss Recht bleiben“ und wollte damit wohl ihre Unbeugsamkeit und Standhaftigkeit in der Strafverfolgung unserer Vergehen bekräftigen.

Diesen Verfolgungseifer würden wir im Grunde begrüßen, wenn er sich auf die lückenlose Aufklärung der Todesnacht von Hanau am 19.02.2020 richten würde, deren Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft zwischenzeitlich eingestellt worden sind oder wenn es um die Verstrickungen von Frankfurter und hessischen Polizeibeamt:innen in den NSU 2.0 – oder die Nordkreuz-Affäre ginge oder um die Strafverfolgung eines rechtsradikalen Brandstif- ters, der unzählige linke Projekte in Frankfurt angegriffen hat und für keine dieser Taten zur Verantwortung gezogen wurde, obwohl er mehrmals auf frischer Tat ertappt und der Polizei übergeben wurde oder – um wieder auf das BAFA zurück zu kommen, wenn aktenkundig korrupte Mitarbeiter:innen dieser Behörde für ihr Handeln zur Rechenschaft gezogen wer- den würden. Leider ist all das nicht der Fall. Diese Liste ließe sich jedoch mit wenig Mühe sehr lange fortsetzen.

Aus aktuellem Anlass möchte ich hier noch die Polizeibeamten erwähnen, die im Prozess gegen die Klimaaktivist:in Ella den Gerichten frech in’s Gesicht gelogen haben, um unsere Freund:in für Jahre hinter Gitter zu bringen. Sie wird heute, nach der Aufdeckung der Falschaussagen durch unabhängige Recherchen, hoffentlich frei kommen.

Auch dieses Verhalten wird wohl kaum Konsequenzen haben.

Es drängt sich der Gedanke auf, dass der kleinliche Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft wohl eher dem geschuldet ist, dass ein paar dutzend Menschen so dreist waren, ihren Hin- tern in ein Gebäude zu setzen, in dem bisher in beschaulicher Anonymität das Geschäft mit dem Tod betrieben werden konnte und dieses gut geschmierte System damit an das Licht der Öffentlichkeit gezerrt wurde.

Wir fordern daher nicht, daß das Recht der Mächtigen Recht bleibt, wir fordern stattdessen Gerechtigkeit!

Wir fordern nichts weniger als ein gutes – ein selbstbestimmtes und menschenwürdiges – Leben für alle Menschen auf dieser Erde!